Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 21.12.2016, Az. C-203/15 und C-698/15
1. Der mit einer solchen Regelung verbundene Eingriff in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte ist von großem Ausmaß und als besonders schwerwiegend anzusehen. Der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten vorgenommen wird, ohne dass die Nutzer der elektronischen Kommunikationsdienste darüber informiert werden, ist geeignet, bei den Betroffenen das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.
2. Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende überschreitet somit die Grenzen des absolut Notwendigen und kann nicht als in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt angesehen werden, wie es Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 im Licht der Art. 7, 8 und 11 sowie des Art. 52 Abs. 1 der Charta verlangt.
3. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in die betreffenden Grundrechte durch eine nationale Regelung, die für Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung die Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsieht, vermag allein die Bekämpfung der schweren Kriminalität eine solche Maßnahme zu rechtfertigen.
4. Um den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Erfordernissen zu genügen, muss die betreffende nationale Regelung erstens klare und präzise Regeln über die Tragweite und die Anwendung einer solchen Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass eine derartige Maßnahme auf das absolut Notwendige beschränkt wird.
5. Zweitens können sich die materiellen Voraussetzungen, die eine nationale Regelung, die im Rahmen der Bekämpfung von Straftaten vorbeugend die Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht, erfüllen muss, um zu gewährleisten, dass sie auf das absolut Notwendige beschränkt wird, zwar je nach den zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten getroffenen Maßnahmen unterscheiden, doch muss die Vorratsspeicherung der Daten stets objektiven Kriterien genügen, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen. Diese Voraussetzungen müssen insbesondere in der Praxis geeignet sein, den Umfang der Maßnahme und infolgedessen die betroffenen Personenkreise wirksam zu begrenzen.
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